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Fake-Change Früherkennung

Es gibt Veränderungsvorhaben in Organisationen, die viel Wind machen sollen, aber irgendwie doch nicht so ganz ernst umgesetzt werden wollen.

Hier meine anonymisierte Reflexion zu zwei Change-Erlebnissen. Im Anschluss finden Sie mein Resümee aus der Beratersicht.

Beispiel 1

Das österreichische HR-Management eines internationalen, börsennotierenden Unternehmens kontaktiert mich mit dem Anliegen, den Veränderungsprozess in der Führungskultur in Österreich zu begleiten, um die sehr hohe Fluktuation im Unternehmen zu reduzieren. Die Größenordnung: ca 400 Führungskräfte bei knapp 10.000 Mitarbeitenden.

In der Auftragsklärung sind ein paar Dinge aufgefallen:

  • das HR-Management hat den Vorschlag abgelehnt, die Wirkung der Veränderung mit soliden KPIs zu messen.
  • Das österreichische Topmanagement fungiert als Sponsor, will sich selbst jedoch in keiner Form inhaltlich beteiligen, involvieren oder gar selber den Prozess durchlaufen.

Beispiel 2

Die Personalentwicklung eines Retailers mit rund 500 Filialen in Mitteleuropa will die Rollen der Filialleitungen und Filialleitungsstellvertretungen stärken. Das Ziel: Mehr Führungskompetenz und höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Es wird ein mehrteiliges FK-Curriculum in Kleingruppen durchgeführt. Das Format ist höchst partizipativ, die Teilnahme de facto verpflichtend.

Im Verlauf der Projektes werden von den Teilnehmenden viele organisationale Innovationen eingebracht, ein großes Geschenk der Führungskräfte an die Organisation.

Die Innovationen wurden von mir gesammelt und dem Vorstand gemeinsam mit HR präsentiert. Bei der Präsentation geschah folgendes:

  • Das zuständige Vorstandsmitglied reagiert genervt, leicht aggressiv und lehnt alles ab
  • Die anwesende HR Leitung zieht sich komplett zurück, obwohl sie die Vorschläge davor sehr gut und konstruktiv gefunden hat

Fazit

Man muss davon ausgehen, dass Veränderungsprojekte in der Organisation immer individuelle Hidden-Agendas einzelner Stakeholder beinhalten.

Früherkennungszeichen für FakeChanges:

  • Fehlendes Commitment aus dem Management, sich am Change persönlich und aktiv zu beteiligen
  • Deutliche Ablehnung, wenn relevante Aspekte von Beratern hinterfragt werden
  • Errichten organisationaler Tabuzonen
  • Grundsätzliche Ablehnung von erfolgsversprechenden Change-Architekturen und -interventionen

Der seriöse Berater steht nun zumindest ethisch in der Pflicht, auf diese Wahrnehmungen aufmerksam zu machen. Lässt sich die Wahrnehmung der Früherkennungszeichen substantiell mit den Auftraggebern diskutieren, ist das zumindest ein gutes Zeichen.

Als Berater hat man nun theoretisch drei Möglichkeiten:

  • das Mindset des Auftraggebers in Bezug auf die persönliche Veränderungsbereitschaft auch zum Gegenstand des Veränderungsvorhabens machen
  • den Auftrag wegen ungünstiger Rahmenbedingungen a priori ablehnen
  • den Auftrag unter den gegebenen Rahmenbedingungen akzeptieren und versuchen, das Beste daraus zu machen

Die dritte Variante finde ich aus ethischer Sicht schwierig und inhaltlich recht uninteressant. Ein Veränderungsvorhaben, bei dem die Auftraggeber weniger wollen, als die Mitarbeitenden, oder die Beratenden, muss zwangsläufig scheitern.

Wer sich für ein seriöses, sinnstiftendes Beraterleben entschieden hat, sollte grundsätzlich für eine eigene wirtschaftliche Freiheit gesorgt haben, um ‘vergiftete’ Aufträge ohne Not auch ablehnen zu können.

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