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Menschen in Führungsrollen brauchen Bodenhaftung und müssen die Welt aus hoher Flughöhe betrachten können. Der schnelle Wechsel ist eine  mentale Challenge

Kapitel 1: Die notwendige Herausforderung im Tagesgeschäft

Managerinnen und Manager sind gefordert, sich innerhalb kürzester Zeit auf sehr unterschiedliche Arten von Aufgaben einzustellen.

Zum einen erfordern taktische und operative Fragestellungen ein hohes Maß an Schnelligkeit, Pragmatismus und Lösungsorientierung. Hier geht es oftmals um konkrete Projekte, Zeitdruck, Ressourcenzuteilung und unmittelbare Problemlösungen – alles Faktoren, die einen schnellen mentalen „Pulsschlag“ bedingen.

Gleichzeitig müssen Führungskräfte immer auch richtungsweisende strategische Entscheidungen treffen, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens maßgeblich beeinflussen. Hierfür sind fundierte Analysen, umfassende Marktbeobachtungen und das gedankliche Durchspielen von Zukunftsszenarien unabdingbar. Anstelle von „operativer Hektik“ und enger Taktung ist in diesem Bereich vielmehr eine ruhige, weitsichtige und reflektierte Haltung gefragt.

Das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Polen – Operatives Tempo und Strategische Tiefe – sind eine tägliche mentale Herausforderung für Führungskräfte. Mal verlangt der Tag schnelles Handeln und die Bereitschaft, im Minutentakt Entscheidungen zu fällen; mal benötigt man einen Schritt zurück, um das große Ganze zu betrachten und mit kühlem Kopf eine nachhaltige Weichenstellung vorzunehmen. Diese gegenläufigen Anforderungen haben erhebliche Auswirkungen auf den mentalen State einer Führungskraft: Vom raschen „Schalten und Walten“ in Meetings oder bei Kundenanfragen übergeht man zu langsamen, bedächtigen Denkprozessen, in denen man komplexe Zusammenhänge durchdringt und Zukunftsszenarien antizipiert.

Gerade diese Flexibilität, binnen kürzester Zeit von „High Speed“ auf „Deep Thinking“ umzuschalten, stellt eine große psychische und kognitive Herausforderung dar. Häufig müssen Führungskräfte mehrfach am Tag – teils innerhalb weniger Minuten – zwischen diesen Modi wechseln. Ohne ein bewusstes Herunterfahren und anschließendes Wiederhochfahren des eigenen inneren Rhythmus drohen Fehler in der Entscheidungsfindung. Im schlimmsten Fall gerät man in eine Dauerhektik, in der langfristige Überlegungen gänzlich untergehen oder strategisch wichtige Weichenstellungen aufgeschoben werden, bis es unter Umständen zu spät ist.

Die Fähigkeit, beide Pole gleichermaßen zu meistern, zeichnet gutes Management und zukunftsorientierte Führung aus. Auch wenn sich nicht jeder Mensch automatisch darin übt, zwischen schneller Taktik und langsamer Strategie hin- und herzuwechseln, lässt sich diese Kompetenz stärken. Voraussetzung dafür ist eine klare Selbstwahrnehmung (welcher Modus ist gerade aktiv?) und die Fähigkeit, bewusst zu steuern, wann ein Wechsel notwendig wird. Mit den geeigneten mentalen Übungen, klaren Strukturen im Tagesablauf und einer Kultur, die strategische Denkphasen respektiert, lassen sich diese Herausforderungen langfristig erfolgreich meistern.

Kapitel 2: Zwischen zwei extremen Geschwindigkeiten wechseln

2.1 Die Analogie der „Unruh“ im Uhrwerk

In mechanischen Uhren sorgt die Unruh als Schwingsystem für den Takt des Uhrwerks. Sie dreht sich wechselweise in beide Richtungen und bildet so das Pendel, das die Zeitmessung strukturiert. Ohne diese stete Bewegung würde das Uhrwerk entweder stehenbleiben oder ungenau laufen.

Im übertragenen Sinn fungiert die Unruh als Symbol für den inneren „Rhythmus“ einer Führungskraft. In der Praxis müssen Führungskräfte schnell reagieren, Entscheidungen treffen und auf operative Belange eingehen. Gleichzeitig braucht es Momente der Ruhe und des Abstandes, um strategisch zu denken. Wie die Unruh eines Uhrwerks hin- und herschwingt, müssen Führungskräfte also zwischen verschiedenen „Geschwindigkeiten“ wechseln, um „im Takt“ zu bleiben.

2.2 Hohe Rotationsgeschwindigkeit: Operative Ebene

Auf der operativen Ebene stehen Produktivität, Output und Verrechenbarkeit im Vordergrund. Hier dominiert das Motto „time is money“. In diesem Modus werden Projekte und Prozesse gesteuert, und der Fokus liegt darauf, Dinge möglichst effizient und effektiv zu erledigen.

  • Effizienz bedeutet, ein Ziel mit möglichst geringem Aufwand (z. B. Kosten, Zeit oder Personal) zu erreichen.
  • Effektivität bezeichnet die Zielgenauigkeit, also ob man überhaupt das richtige Ziel verfolgt und es erfolgreich umsetzt.

In hoher innerer Rotationsgeschwindigkeit kommuniziert das Management intensiv mit Mitarbeitenden, Kunden oder Lieferanten. Diese Dynamik ist essenziell, um Wertschöpfungsprozesse sicherzustellen und anfallende Aufgaben im Tagesgeschäft zu meistern.

2.3 Niedrige Rotationsgeschwindigkeit: Strategische Ebene

Auf der strategischen Ebene ist hingegen eine andere „Flughöhe“ gefragt. Strategische Entscheidungen brauchen Abstand und Ruhe, weil komplexe Fragestellungen nicht in hektischen Umgebungen gelöst werden können.
In diesem ruhigeren Modus werden langfristige Ziele formuliert, Zukunftsszenarien durchdacht und Markttrends analysiert. Hier geht es um Weitsicht, Kreativität und die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen. Wer sich ausschließlich in der Hektik des Tagesgeschäfts befindet, läuft Gefahr, strategische Optionen zu übersehen oder nicht rechtzeitig zu antizipieren.

Kapitel 3: Ein 10-Punkteplan für bewusstes „Geschwindigkeitswechseln“ im Alltag

  1. Tagesstruktur planen
    Reservieren Sie feste Zeitfenster für strategische Tätigkeiten und schützen Sie diese vor Unterbrechungen. Eine klare Trennung zwischen „Denkzeit“ und „Machtzeit“ (operatives Handeln) fördert den bewussten Wechsel.
  2. Achtsame Übergänge schaffen
    Vor dem Wechsel vom operativen zum strategischen Modus (und umgekehrt) hilft ein kurzer „Reset-Moment“. Atmen Sie bewusst durch, schließen Sie für eine Minute die Augen oder machen Sie eine kurze Gehmeditation. Das erleichtert das Umschalten.
  3. Prioritätenlisten führen
    Erstellen Sie täglich oder wöchentlich zwei Listen: eine für die operative Ebene (kurzfristige To-Dos) und eine für die strategische Ebene (langfristige Ziele, Reflexionen). So behalten Sie die beiden Geschwindigkeiten klar im Fokus.
  4. Tools zur Informationsfilterung nutzen
    Verschaffen Sie sich einen Überblick über operative Kennzahlen und strategisch relevante Marktdaten, am besten in kompakter Form. Ein Dashboard mit Kernindikatoren (Key Performance Indicators, KPI) kann helfen, schneller vom Detail in die Übersicht zu wechseln.
  5. Delegation kultivieren
    Überlegen Sie genau, welche operativen Aufgaben unbedingt bei Ihnen bleiben müssen und welche Sie an vertrauensvolle Mitarbeitende delegieren können. Dies schafft Freiraum für strategische Überlegungen und reduziert den Stress des ständigen Hochgeschwindigkeitstakts.
  6. Mentale Übungen in den Alltag integrieren
    Kurze Achtsamkeitsübungen (z. B. zwei Minuten kontrollierte Atmung oder bewusstes Konzentrieren auf einen Gegenstand) verlangsamen innerlich, wenn nötig. Umgekehrt fördern kurze Aktivierungsübungen (z. B. schnelles Strecken, kurzes Laufen auf der Stelle) den Umschwung in den Hochgeschwindigkeitsmodus.
  7. Reflexionszeiten einplanen
    Einmal pro Tag – auch wenn es nur 10 Minuten sind – kann ein strukturiertes Nachdenken über den „Gesamtzustand“ des Projekts, des Teams oder des Unternehmens erfolgen. Notieren Sie Erkenntnisse in einem Notizbuch. So fördern Sie langfristig Ihren strategischen Blick.
  8. Routinen für „Entschleunigungsinseln“ etablieren
    Definieren Sie bestimmte Orte oder Tätigkeiten als „Entschleunigungsinseln“. Das kann ein kurzer Spaziergang im Hof, ein bestimmter Raum, oder auch das Abschalten des Smartphones sein. Diese bewussten Inseln sind effektiv, um den inneren Rhythmus zu senken.
  9. Offene Kommunikation mit dem Team
    Kommunizieren Sie klar, wenn Sie sich in einer strategischen Denkphase befinden oder wenn Sie gerade operativ „Vollgas“ geben müssen. So verstehen Mitarbeitende besser, warum Sie mal sehr schnell entscheiden und mal Bedenkzeit brauchen.
  10. Mentoring und Sparring nutzen
    Suchen Sie regelmäßig das Gespräch mit anderen Führungskräften oder einem Business Coach. Externe Perspektiven helfen, mögliche „Geschwindigkeitsfehler“ zu erkennen, die eigene „Unruh“ zu kalibrieren und langfristige Strategien zu stärken.

Fazit

Die mentale Dynamik von Management und Führung basiert wesentlich auf der Fähigkeit, sowohl ein hohes Tempo in der operativen Umsetzung zu halten als auch kluge, wohlüberlegte Entscheidungen auf strategischer Ebene zu treffen. Das Spannungsfeld zwischen schnellem „Tagesgeschäft“ und bedächtigem „Zukunftsdenken“ prägt den Berufsalltag von Führungskräften. Das bewusste Umschalten zwischen diesen beiden Modi – vergleichbar mit der „Unruh“ einer Uhr – ist deshalb ein zentrales Erfolgskriterium. Nur wer lernt, diese Extreme gezielt auszubalancieren, sichert nicht nur den Erfolg im operativen Tagesgeschäft, sondern legt auch den Grundstein für eine nachhaltige, zukunftsorientierte Unternehmensentwicklung.

 

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