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Zum ersten Mal Chef! Spannungsfeld: Grandiositätsgefühl vs. Rolle

Zum ersten Mal Führungskraft: Im Spannungsfeld zwischen Grandiositätsgefühl, Rolle und Identität

Die Übernahme einer Führungsrolle ist ein entscheidender Meilenstein in der beruflichen Laufbahn. Sie markiert nicht nur den Übergang von operativen Aufgaben zu strategischen und verantwortungsvollen Tätigkeiten, sondern stellt auch eine bemerkenswerte Herausforderung für die persönliche Entwicklung dar.

Insbesondere für Erstführungskräfte kann dieser Schritt von widersprüchlichen Emotionen, Unsicherheiten und Rollenkonflikten begleitet sein. Ein Spannungsfeld entsteht, das von drei zentralen Dimensionen geprägt wird: dem Grandiositätsgefühl, der Rolle und der Identität.

Wie gelingt ein konstruktiver Umgang mit diesen Spannungsfeldern?

  1. Grandiositätsgefühl: Chancen und Fallstricke

Der Aufstieg zur Führungskraft wird oft mit einem Gefühl der Bestätigung und Wertschätzung verbunden. Das Grandiositätsgefühl – der Stolz auf die eigene Leistung und der Glaube an die eigene Kompetenz – kann anfangs sehr motivierend wirken. Es schafft Energie, Zuversicht und den Willen, die neuen Herausforderungen anzupacken.

Konstruktive Aspekte des Grandiositätsgefühls

  • Motivator für Leistung: Ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein ist unerlässlich, um Verantwortung zu übernehmen und die eigene Autorität zu vertreten.
  • Selbstwirksamkeit: Das Gefühl, durch eigene Fähigkeiten und Entscheidungen Einfluss zu nehmen, stärkt die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen und mutige Entscheidungen zu treffen.

Kritische Reflexion: Die Schattenseiten

Ein übersteigertes Grandiositätsgefühl kann jedoch zu gefährlichen Verzerrungen führen:

  • Realitätsverlust: Führungskräfte laufen Gefahr, ihre eigenen Kompetenzen zu überschätzen und die Komplexität der Rolle zu unterschätzen. (siehe auch: Dunning-Kruger Effekt)
  • Autoritäres Verhalten: Ein starkes Ego kann zu einer dominanten, wenig teamorientierten Führung führen.
  • Blinder Fleck für Feedback: Die Überzeugung, alles im Griff zu haben, reduziert die Bereitschaft, konstruktive Kritik anzunehmen.

Tipp: Entwickeln Sie eine reflektierte Selbstwahrnehmung – auch wenn Sie gerade das Gefühl haben, diese Selbstwahrnehmung wäre die eine, richtige Wirklichkeit. Ein Tagebuch oder regelmäßige Selbstreflexion, z. B. in Form von Fragen wie „Welche meiner Entscheidungen waren heute erfolgreich? Wo hätte ich anders handeln können?“, kann helfen, eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu bewahren.

  1. Rolle: Erwartungen und Verantwortlichkeiten

Die Führungsrolle bringt eine Vielzahl neuer Erwartungen und Verantwortlichkeiten mit sich. Eine Rolle wird immer durch Erwartungen an die Rolle definiert. Dabei treffen eigene Erwartungen und die Erwartungen der anderen aufeinander. Diese Erwartungen sind oft unausgesprochen, jedoch stark von organisationalen, kulturellen und individuellen Normen geprägt.

Typische Herausforderungen in der Rolle

  • Multidimensionalität: Führungskräfte müssen oft zwischen operativen Aufgaben, strategischer Planung und der Führung von Mitarbeitenden jonglieren.
  • Widersprüchliche Erwartungen: Mitarbeitende erwarten Unterstützung, während die Organisation Ergebnisse fordert. Die Balance zwischen Menschlichkeit und Leistungsorientierung stellt eine zentrale Herausforderung dar.
  • Rollenklarheit: Insbesondere neue Führungskräfte kämpfen oft damit, ihre neue Position klar zu definieren und sich von der alten Rolle zu lösen.

Strategien zur Rollengestaltung

  • Klare Kommunikation: Sprechen Sie frühzeitig mit Vorgesetzten und Teammitgliedern über Rollenanforderungen und Erwartungen. Nur durch Transparenz können Missverständnisse vermieden werden.
  • Delegation: Eine wichtige Führungsaufgabe besteht darin, Verantwortung abzugeben. Viele neue Führungskräfte scheuen sich davor aus Angst, die Kontrolle zu verlieren, was jedoch schnell zu Überlastung führen kann.
  • Priorisierung: Legen Sie klar fest, welche Aufgaben Priorität haben, und setzen Sie Grenzen, um sich nicht in operativen Details zu verlieren.

Tipp: Nehmen Sie sich Zeit, die spezifischen Anforderungen Ihrer Rolle zu analysieren. Hilfreich ist dabei das Modell der drei Führungsebenen (operative, taktische und strategische Führung), um klar zu definieren, wo Ihre Schwerpunkte liegen sollten.

  1. Identität: Die innere Entwicklung

Die Übernahme einer Führungsrolle bedeutet nicht nur eine Veränderung nach außen, sondern erfordert auch eine Anpassungsleistung der eigenen Identität. „Wer bin ich, abseits all der Rollen?“, ist so eine leitende Frage dazu Diese Transformation geht oft mit Unsicherheiten und inneren Konflikten einher.

Die Identitätskrise der Erstführungskraft

  • Selbstzweifel: Viele neue Führungskräfte fragen sich, ob sie den Anforderungen gewachsen sind. Impostor-Syndrom (Hochstapler-Gefühl) ist hierbei ein häufiges Phänomen.
  • Verlust der alten Identität: Der Übergang vom Kollegen zur Führungskraft erfordert nicht nur ein neues Rollenverständnis, sondern auch eine Distanzierung von bisherigen Gewohnheiten und Beziehungen.
  • Widersprüchliche Werte: Die neuen Verantwortlichkeiten können in Konflikt mit bisherigen persönlichen Werten oder Überzeugungen stehen.

Identitätsarbeit als kontinuierlicher Prozess

  • Reflexion persönlicher Werte: Führungskräfte sollten sich klar darüber werden, was ihnen persönlich wichtig ist und wie sie diese Werte in ihrer Führungsarbeit integrieren können.
  • Mentoring und Coaching: Die Begleitung durch erfahrene Führungskräfte oder professionelle Coaches kann dabei helfen, Unsicherheiten zu klären und ein authentisches Führungsverständnis zu entwickeln.
  • Akzeptanz von Ambiguität: Die Rolle als Führungskraft erfordert oft, mit Unsicherheit und widersprüchlichen Anforderungen umzugehen. Die Fähigkeit, Ambiguität auszuhalten, ist ein zentraler Bestandteil der Führungsidentität.

Tipp: Betrachten Sie die Führungsrolle nicht als festen Zustand, sondern als Entwicklungspfad. Setzen Sie auf lebenslanges Lernen und suchen Sie aktiv Feedback, um Ihre Identität als Führungskraft kontinuierlich zu schärfen.

Fazit

Die erste Führungsrolle ist eine Gratwanderung zwischen Euphorie und Realität, zwischen den Ansprüchen der Rolle und der Entwicklung der eigenen Identität. Das Spannungsfeld zwischen Grandiositätsgefühl, Rolle und Identität birgt sowohl Chancen als auch Risiken.

Eine erfolgreiche Entwicklung setzt voraus, dass neue Führungskräfte:

  1. Selbstbewusst, aber reflektiert mit ihrem Grandiositätsgefühl umgehen, um realistisch und empathisch zu bleiben.
  2. Klare Rollenbilder und Prioritäten entwickeln, um widersprüchlichen Erwartungen gerecht zu werden.
  3. An ihrer Identität arbeiten, um authentisch zu führen und langfristig Stabilität in der Rolle zu finden.

Letztlich ist die Führungsrolle kein statischer Zustand, sondern ein kontinuierlicher Lernprozess. Neue Führungskräfte, die bereit sind, sich kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, legen den Grundstein für eine erfolgreiche und erfüllende Karriere als Führungspersönlichkeit.

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